SPONSORs-Interview mit Gerd Thomas, Vorstand FC Internationale Berlin (ungekürzte Version)

Am 04.10. erschien im SPONSORs-Newsletter ein leicht gekürztes Interview anlässlich der Preisverleihung für den Award für Nachhaltigkeit im Sport. Dieser wurde auf der größten europäischen Sportmesse, der SPOBIS, an den FC Internationale vergeben (der sich gegen  den FC St. Pauli und den VfL Wolfsburg durchsetzte) und zwar von SPONSORs, der DFL und der HypoVereinsbank. Vielen Dank für den Preis und die Gelegenheit, unsere Sichtweise den Multiplikator.Innen in den Bereichen Marketing/Sponsoring/CSR deutlich zu machen. Wir freuen uns sehr über den Preis und werden unser Bestes geben, das Thema Nachhaltigkeit im Sport weiter voranzubringen.

 

SPONSORs-Newsletter:

Interview mit Gerd Thomas, Vorstand FC Internationale Berlin (ungekürzte Version)

 

Der FC Internationale Berlin war der erste Amateurverein Deutschlands mit einer Nachhaltigkeits-Zertifizierung. Wie kam es dazu? Warum steht das Thema Nachhaltigkeit bei einem Fußball-Landeslisten schon länger so weit oben auf der Agenda? 

Mit unserer Jugendleiterin Saskia und unserem Ex-Spieler Anton kamen quasi zeitgleich zwei junge Menschen auf mich zu und wollten sich engagieren. Ich habe gesagt, sie bekämen Unterstützung, aber sie müssten der Motor sein. Dann haben sie kurzerhand  eine AG Nachhaltigkeit gegründet, die aus rund 15 Frauen und Männern zwischen 18 und 75 bestand, eine spannende Mischung. So steht Nachhaltigkeit auch unmittelbar für Ehrenamtsgewinnung. Kurz darauf kam Oliver Brendle hinzu, ein Auditor der seit Vereinsgründung beim FC Internationale ist. Er fragte, ob wir uns nicht vom TÜV Rheinland nach ZNU-Standard (Zenrum für nachhaltige Unternehmensführung) zertifizieren lassen wollen. Zuerst haben wir etwas ratlos geguckt, dann haben wir es einfach gemacht. Es war Lockdown, und wir hatten Zeit. Dank der Hilfe der Uni Witten/Herdecke hatten wir bis zum ersten Audit alles gut umgesetzt. Wir wollen noch viel mehr Vereine animieren, so wie zuletzt Vorwärts Spoho in Köln.

 

Wir sind mit dem Ergebnis zufrieden, aber wir möchten noch deutlich mehr. Gerade bei der Vermittlung des Themas an junge Menschen (aber auch an Ältere) fällt viel Arbeit an. Wir haben super Ideen, aber leider noch nicht das Geld, um diese umzusetzen. Deshalb wollen wir nun eine „Stiftung FC Internationale“ für gesellschaftliches Engagement gründen. Alle, die uns dabei unterstützen und mitmachen wollen, sind herzlich willkommen. Alleine schaffen wir es nicht, aber es wäre schade, das großartige Engagement nicht weitertreiben zu können. Nachhaltigkeit ist kein Modethema, es ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen, aber die Trendsetter brauchen noch viel mehr Unterstützung von außen, z. B. von glaubwürdigen Unternehmen. Ich verspreche allen, das wird ein richtig spannendes Projekt. Macht mit, schließlich hat Sport hat die Kraft, die Welt zu verändern.

 

Auf der SPOBIS-Bühne im Rahmen der Verleihung des „Awards für Nachhaltigkeit im Sport“ haben Sie einen Appell an das Sportbusiness gerichtet und auch teilweise die Profi-Clubs in die Pflicht genommen. Wird beim Thema Nachhaltigkeit insgesamt zu wenig getan?

Eindeutig ja. Wir selbst möchten ja auch noch eine Schippe drauflegen. Aber gerade der Profifußball bringt doch alles mit, was es braucht: Strahlkraft, Reichweite, Verankerung vor Ort – und prominente Gesichter gibt es obendrauf. Natürlich existieren auch tolle  Beispiele. Ich komme aus einem Dorf zwischen Hamburg und Bremen. Was Werder und St. Pauli alles so machen, ist absolut stark. Viele andere haben noch viel Luft nach oben. Gerade im Bereich der Ökologie muss mehr getan werden, im eigenen Interesse. Wenn es noch heißer wird, dürfen bald keine Plätze mehr bewässert und kann nur noch abends gespielt werden. Natürlich muss der eigene Ressourcenverbrauch auf den Prüfstand gestellt werden, und zwar nicht nur die Anreise mit dem Flugzeug. Am Wichtigsten ist mir aber, dass Profis und ihre Vereine auch in Sachen Nachhaltigkeit Vorbilder sind, im besten Fall sogar mehrere Clubs vor der Haustür gemeinsame Sache machen. Das bitte nicht nur bei der Talentförderung, sondern als Benchmark für die Region.

 

Warum sollte jede Sportorganisation den Prozess der Nachhaltigkeits-Zertifizierung durchlaufen? Welche Mehrwerte und Vorteile ergeben sich dadurch? 

Eine Organisation wie der TÜV Rheinland ist unabhängig und glaubwürdig. Ich kenne die Phobie vieler Organisationen bezüglich der Zertifikate und Siegel. Aber ich kann aus eigener Erfahrung sagen: Hier werden keine Gefälligkeits-Audits gemacht. Jede Organisation kann gegenüber Sponsoren und anderen Stakeholdern auftreten und sagen: „Seht her, wir betreiben kein Greenwashing, wir lassen uns regelmäßig überprüfen! “ Und zwar von unabhängiger Stelle und nach einem anerkannten Standard. Im ZNU sind jede Menge namhafter Unternehmen vereinigt: Lebensmittler, Dienstleister, Stiftungen und auch ein bisschen Sport. Keiner von denen möchte riskieren, ein Zertifikat aberkannt zu bekommen. Das letzte Audit war ganz schön hart, aber hinterher waren wir stolz auf unsere Leute für den Riesenjob. Das schafft dann neue Motivation in einem Verein, was nicht zu unterschätzen ist. Denken Sie nur an die vielen Ehrenamtlichen, die es überall zuhauf gibt und auch künftig geben muss.

Welche Learnings können Sie anderen Sportrechtehaltern mit an die Hand geben? 

Ich bin dafür, dass alle Profivereine sich nach einem einheitlichen und anspruchsvollen Standard überprüfen lassen müssen. Das ist im Interesse der DFL und ihrer Vereine. Dieses erhöht ganz klar das Vertrauen bei Partnern, Sponsoren, Kommunen. Natürlich kann man Aufsteigern etwas Zeit einräumen. Unternehmen können es sich nicht mehr leisten, aus der Hüfte Geld zu verteilen. Dafür braucht es gute Gründe und nachvollziehbare Kriterien. Wenn diese von unabhängiger Stelle bestätigt werden, habe ich einen Wettbewerbsvorteil. Ohne Transparenz und Compliance-Regeln geht es nicht mehr. Das Sommermärchen hat den deutschen Fußball in die größte Krise gestürzt. So etwas kann niemand mehr wollen, schon gar nicht die großen Marken, die den Fußball als Plattform für sich nutzen. Die medizinische Erläuterung von Compliance beinhaltet übrigens die „Bereitschaft eines Patienten zur aktiven Mitwirkung an therapeutischen Maßnahmen“. Bernd Neuendorf wird das wissen und ernstnehmen, so wie ich ihn kennengelernt habe. Schließlich hat er die Nachhaltigkeit zur Chefsache erklärt, was ich ausdrücklich begrüße.

 

Wie viel kostet eine solche Zertifizierung? Welche Hürden müssen genommen werden? 

Der Preis richtet sich nach der Anzahl der Mitarbeitenden und den schon existierenden Zertifikaten. Details müssen mit dem TÜV Rheinland besprochen werden, wir vermitteln gern den Kontakt. Es ist aber nicht so teuer, dass ein Schatzmeister Bauchschmerzen bekäme. Die Bezahlung von Spielerberatern dürfte ihm deutlich mehr Schlaf rauben. Ob sie genau so nachhaltig ist, lass ich mal dahin gestellt.

 

Der Geschäftsstellenleiter und langjähriges Vorstandsmitglied Olaf Ramthun hatte maßgeblichen Anteil an der erfolgreichen Nachhaltigkeits-Zertifizierung. Vor wenigen Wochen ist er überraschend verstorben. Inwiefern schwächt oder bestärkt Sie der Tod Ihres Kollegen in Ihren Bestrebungen beim Thema Nachhaltigkeit? 

Der Tod hat eine tiefe Lücke in den Verein gerissen. Er war ja auch Spieler, wir sind zusammen Berliner Meister und Pokalsieger geworden, waren alle befreundet. Unsere Trauerfeier war sehr bewegend, der menschliche Verlust ist nicht zu ersetzen. Am Tag seiner Beisetzung haben wir den Award für Nachhaltigkeit im Sport erhalten. Es ist nicht zuletzt sein Preis. Wir müssen uns  zwangsläufig neu aufstellen, was wir schaffen werden, auch wenn der Zeitpunkt unmittelbar vor Saisonbeginn nicht schwieriger hätte sein können.

 

Es hat uns aber auch gezeigt, wie hilfreich die Zertifizierung war. Denn wir haben heute alles viel ordentlicher als vor zwei Jahren abgelegt und gesichert. Wir wollen die Dinge künftig noch mehr auf verschiedene Schultern verteilen. Es geht auch in Amateurvereinen nicht mehr, dass nur eine Person bestimmte Dinge erledigen kann. Aber wir werden noch eine Weile brauchen, um uns zu sortieren, Dinge auch zu optimieren. Gerade im Digitalen haben wir Luft nach oben, davor kann sich aber kein Verein drücken.

 

Was sind die nächsten Schritte für den FC beim Thema Nachhaltigkeit? Gibt es auch Bestrebungen den aktuellen medialen Impact zu nutzen, um wirtschaftlich und sportlich noch erfolgreicher zu sein?  

Der Award ist ein Anreiz, ganz klar. Wobei ich mir eine viel größere mediale Aufmerksamkeit für das Thema „Nachhaltigkeit im Sport“ wünsche. Die Leitmedien kritisieren dauernd DFL und DFB, berichten selbst aber kaum über den wichtigsten Zukunftsbereich. Auch das gehört zur Wahrheit dazu. Also müssen wir uns selbst helfen.

 

Wir wollen schnell die „Stiftung FC Internationale“ gründen, aber auch Personen und Unternehmen begeistern, die Hauptstadt sportlich-nachhaltig mit uns zu erobern. Hier gibt es unglaublich viel zu tun, aber auch unglaublich viel Potenzial. Wir sind viele Jahre in Vorleistung getreten, ich glaube, das dürfen wir für uns in Anspruch nehmen. In den 1980ern gab es Friedensturniere, seit den 1990ern spielen wir aus leider immer noch triftigen Gründen mit dem Slogan „NO RACISM“ auf der Trikotbrust, verzichten dafür auf Sponsorengeld. Die Botschaft soll natürlich bestehen bleiben, aber wir brauchen jetzt Unterstützer.

Unser Vereins sitzt mitten in Berlin, hat so viel Energie, so viele engagierte Menschen. Dazu jede Menge interessierte Partner wie Schulen,  Kitas, Bildungsträge, soziale Projekte – mit den Berliner Werkstätten für Menschen mit Behinderung sogar einen echten Deutschen Meister – wir engagieren uns im  Unternehmensnetzwerk Südkreuz, z. B. mit einer sportlichen Fachkräftemesse. Das ist völlig neu, die HR-Abteilungen sehen das mit Staunen. Die ökologische Nachhaltigkeit ist ein weiteres Feld, größer als 60 x 90 Meter unseres stumpfen und wenig nachhaltigen Kunstrasens. Übrigens ein wichtiges Arbeitsfeld: Wie sieht die ökologisch-soziale  Sportstätte der Zukunft aus?

 

Sportlich geht es so weit, wie es mit den jeweils bestehenden Mitteln geht. Wir arbeiten nicht mit unklaren Geldern und nehmen auch die ökonomische Säule der Nachhaltigkeit ernst. Sicher werden wir uns nicht an einzelne „Investoren“ ausliefern. Aber wenn Leute  kommen, um mit uns über eine nachhaltige, also seriöse sportliche Entwicklung zu reden, setzen wir uns gern gemeinsam hin und spinnen Pläne. Wir haben mehr als 1.300 Mitglieder, 800 Menschen unter 25 Jahren im Verein, spielen mit fast allen Teams in den höchsten Berliner Ligen, das ist ja schon mal sehr ordentlich. Die Spielerinnen und Spieler lernen bei uns und in anderen Jugendabteilungen fast alle wichtigen Soft Skills, die es später für das Berufsleben braucht. Wenn das nicht attraktiv für Unterstützer ist…

Ihr Verein wurde 1980 ja auch als eine Antwort auf die wachsende Kommerzialisierung des Fußballs gegründet. Sehen Sie inzwischen eine Weiterentwicklung im Fußball und wie beobachten Sie insbesondere das Engagement der Profi-Clubs in Sachen Nachhaltigkeit? 

Alles entwickelt sich weiter, aber nicht alles zum Guten. Der Fußball wird immer besser, was nicht immer attraktiver sein muss. Vor allem aber geht es heute um viel mehr als um Punkte, Tore und Vaterland. Das wissen die Vereine natürlich, Kommunikation und Business werden  immer wichtiger. Aber auch die Verantwortung für die Umwelt und die Umgebung? Mir reichen Lippenbekenntnisse von Clubmanagern so wenig aus wie die viel zu niedrig angesetzten Forderungen vieler ihrer Agenturen. Wenn ein Berater findet, dass ein Club mit mehr als 500 Millionen Euro Umsatz schon nachhaltig ist, weil er ein Antidiskriminierungsprojekt macht, grenzt das an Social Washing. Wenn die Mannschaft eines Vereins in einen Flieger steigt, um zum Freundschaftsspiel 250 Kilometer entfernt zu kommen, gleichzeitig aber seine Fans auffordert, mit dem Rad zu kommen, dann ist das Greenwashing. Wenn alle für die Nachhaltigkeit sind, aber pro Saison fünf Trikots auf den Markt werfen, ist das nicht glaubwürdig. Das wird so nicht mehr lange gutgehen.

Die Profivereine haben ein riesiges Maß an gesellschaftlicher Verantwortung. Warum kann die DFL nicht fordern, den Bundesligaball nach Fairtrade-Standard zu produzieren? Das wäre mal ein Signal. Ein paar Profis leben ehrliches Engagement ja schon vor, bspw. Andreas Luthe, Neven Subotic oder Leon Goretzka. Gespannt bin ich auch auf Morten Thorsby bei Union, der mit der Rückennummer 2 für zwei Grad spielt. Wir haben dem DFB-Präsidenten gerade ein Trikot mit der Nummer 1,5 überreicht, sind da also noch etwas ambitionierter. Es muss ein Nachhaltigkeits-Ruck durch den deutschen Sport gehen, angeführt von DFL und DFB. Vereine und Verbände müssen viel mehr Enthusiasmus entwickeln.

Wir haben bald die EURO2024, die steht im Zeichen der Nachhaltigkeit. Da dürfen wir uns nicht blamieren. Mehrwertgeschirr und Pfandflaschenim Kuchenblock werden nicht ausreichen, da muss mehr kommen. Deshalb arbeiten wir auch mit, um in der Host City Berlin, immerhin Standort des EM-Finales, richtig abliefern zu können. Aber wir brauchen starke Partner, freuen uns über innovative und sportliche Multiplikatoren und ganz viele Unterstützer. Denen kann ich versprechen. Das wird nicht nur schwere Kost, das wird richtig Spaß machen. So etwas werden wir so schnell nicht wieder kriegen. Wer da nicht mitmacht, hat hinterher bestimmt das Gefühl, er habe etwas verpasst. Wer will das schon?

 

 

Berlin/Hamburg, 04.10.2022

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Veröffentlichung

Do, 06. Oktober 2022

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